Der Vater des „Dreifachen Mitmachen“-Mantras, Peter Schawerda (1940-2025), ist von uns gegangen.
Landeshauptmann Erwin Pröll: „Peter Schawerda war ein ganz Großer.“

Ein persönlicher Nachruf von Holger Magel

Entsprechend seinem letzten und auch hier wieder sehr bewussten eigenständigen Willen wurde am 14. Mai 2025 im niederösterreichischen Langenzersdorf der wirkliche Hofrat i.R. Dipl.-Ing. Peter Schawerda im Familienkreis verabschiedet. Seine fünf Kinder trugen dabei Passagen aus der in den letzten Krankheitsjahren noch von ihm selbst geschriebenen wahrlich spannenden Biographie vor. Die öffentlich zugängliche Seelenmesse wird heute, am 27. Mai 2025, ganz in der Nähe von seiner Geburtsheimat Sooß in der Kirche St. Helena der weltberühmten Gemeinde Baden bei Wien gelesen.

Wohl jeder bayerische, ja jeder europäische Landentwickler und Dorferneuerer kennt das Mantra „Mitmachen wollen, mitmachen können, mitmachen lassen“, das die Grundphilosophie jeder Partizipation und aller Bürgerbeteiligungsprozesse darstellt und Auslöser und wirkmächtige Erklärung für die Gründung der bayerischen Schulen der Dorf – und Landentwicklung (SDL) war. Mitmachen können kann man nur, wenn man dazu auch fähig ist beziehungsweise gemacht wurde, z.B. durch Seminare an den SDL. Genau das hat erst dieser Tage die Akademiespitze dem Vorsitzenden des „Runden Tisches Bürgerentscheid“ MP a.D. Dr. Günther Beckstein mitgeteilt.

Wer aber von der jetzigen Generation kennt noch den Urheber des Mitmach- oder Teilhabe-Mantras, den Hofrat Peter Schawerda, den ehemaligen Technischen Leiter oder Chefingenieur der niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde?

Er war geprägt von den Konflikten der Flurbereinigung und agrarischen Operationen und rebellierte gegen das damals noch recht hoheitliche Auftreten auch seiner Behörde gegenüber den Grundeigentümern und Bauern und wollte es ebenso wie die wenig umweltfreundliche Praxis der Bodenordnung ändern: Er wurde zum sanft und oft tiefgründig argumentierenden und beharrlich vorgehenden „Revoluzzer“. 1988 veröffentlichte er seine auch in Bayern interessiert zur Kenntnis genommene „Neue Planungsphilosophie für den ländlichen Raum“ in der Österreichischen Zeitschrift für Vermessung und Photogrammetrie. Hierin fordert er erstmals den dreifachen Teilhabe-Kanon. Das gefiel nicht jedem; auch sein als diplomierter Kulturtechniker an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) erworbenes ganzheitliches Verständnis der Kulturlandschaft als schützenswertes Gut im mehrfachen Sinne, für landwirtschaftliche Nutzung wie auch für Naturschutz, Erholung, Landschaftsgenuss und ästhetische Schönheit lag noch nicht im Mainstream und schon gar nicht im Denken seiner Altvorderen und des Bauernverbandes.

Unvergessen sein Vortrag bei der von Nationalrat Dr. Sixtus Lanner organisierten Tagung 1984 in Hochleithen im Weinviertel, wo er die Fachwelt aufhorchen ließ mit seinen Ideen zu einer umweltverträglicheren Flurneuordnung inklusive Berücksichtigung von manchen Aspekten der Geomantie und von Feng Shui (was dann später auch in Bayern versucht wurde). Das waren völlig neue Töne in der und für die Welt der klassischen Kommassierer. Dieser Blick in andere Welten und Kulturen beschäftigte ihn auch weiterhin. Er prägte auch seinen leidenschaftlich wahrgenommenen Lehrauftrag und seine vielfach mit philosophischen Inhalten unterlegten Vorlesungen, die nach dem plötzlichen Tod des Ordinarius Wolf Juergen Reith 1989 leider abrupt zu Ende gingen. Seine Hochschulvorlesungen wie überhaupt all seine Vorträge in Österreich und Deutschland waren für jeden Zuhörer ein fachlicher Gewinn. Gewinn überdies auch wegen seiner österreichisch-melodiösen, vom milden Klima seiner Weinhauerheimat geprägten einschmeichelnd sanften Stimme – begleitet von einem smarten, bisweilen auch leicht verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Entsprechend war auch sein Verhandlungs- und Diskussionsstil. Nie forsch-dominant auftretend und hart fordernd, sondern immer geschmeidig zurückhaltend-abwartend und dann konziliant antwortend: „Ich stimme Ihnen ja grundsätzlich zu, aber bedenken Sie doch auch noch diese und jene Aspekte.“ So ging es los, und am Ende hatte Peter sein Gegenüber meistens überzeugt.

Peter wurde auch zum Glücksfall in der Jury zum Europäischen Dorferneuerungspreis, nicht nur wegen seiner stets ausgleichenden und vermittelnden Art, sondern auch wegen seines stets materielle und immaterielle Aspekte einschließenden Denkens, Sehens und Fühlens. Sein idealer „Bruder im Geist“ war hier der erste Vorsitzende der Jury Univ.-Prof. Wilhelm Landzettel, der ZEN-geschulte Vater der niedersächsischen Dorferneuerung und (zusammen mit Erika Haindl) Verfasser des Klassikers „Mensch-Dorf-Landschaft. Heimat – ein Ort irgendwo?“. Seine ideale, ja kongeniale Chefin im Alltagsbetrieb der Europäischen ARGE war deren höchst effiziente Geschäftsführerin Theres Friewald-Hofbauer. Gerade auch wegen der harmonischen Zusammenarbeit mit ihr (siehe Nachruf von Theres Friewald auf Peter Schawerda auf dieser webpage) blieb Peter gerne und lange der ARGE verbunden.

Schawerda war ein Vorbild auch in Bayern
In meiner Geburtstagsgratulation zum 80. Geburtstag ( https://www.akademie-bayern.de/2020/11/30/die-akademie-gratuliert-peter-schawerda-zum-80-geburtstag/) habe ich schon darauf hingewiesen, dass es die Fachtagung der Bayerischen Flurbereinigungsverwaltung 1982 in Lindau (mit Theo Waigel als Festredner) war, die mich mit Peter Schawerda zusammenbrachte. Ich präsentierte bei dieser Tagung den teilweise noch wenig begeisterten, zumindest höchst skeptischen eigenen Flurbereinigungskollegen das neue mit Fritz Auweck entwickelte Konzept der dreistufigen Landschaftsplanung, und Peter Schawerda sah sich darin bestätigt und erkannte die Chance für seinen geplanten neuen Weg einer ökologischeren Flurbereinigung in Niederösterreich. Er hatte Visionen, die noch zu wenig unterstützt wurden. Er wollte natürlich auch die junge bayerische Dorferneuerungsidee nach Österreich bringen. Das ist ihm zwar gelungen durch das Vermitteln des Kontakts von Holger Magel mit (dem damaligen) Landeshauptmann-Stv. Erwin Pröll, aber die Zuständigkeit für die Dorferneuerung blieb seiner Agrarbezirksbehörde (ABB) verwehrt – im Gegensatz zu seinem Freund und Flurbereinigungskollegen HR Otmar Kronsteiner, dem das in Tirol gelang. Fairerweise muss man aber sagen: In Tirol war Landeshauptmann Wallnöfer zugleich Agrar-„Minister“ und wollte die ebenfalls von Bayern übernommene Dorferneuerung in seinem Ressort haben. Peters ABB dagegen war ungeachtet der fehlenden politischen Power des Landesrats Blochberger halt auch noch zu agrarisch und zu wenig aufgeschlossen für neue außeragrische ländliche Aufgaben. Selbst der inzwischen eingeführte Begriff Landentwicklung, den Peter wie manche seiner engsten Mitarbeiter nach deutschem Vorbild unermüdlich gepuscht haben, stieß bei den juristischen Leitern der Agrarbehörden lange Zeit auf Granit und Totalablehnung.

Peter war oft seiner Zeit voraus: Unvergessen bleibt – angesichts entsprechender Untersuchungen in Österreich Anfang der 1990er Jahre – seine für- und vorsorgliche Warnung an mich, rechtzeitig für eigene Effizienzuntersuchungen der Bayerischen Flurbereinigungsverwaltung zu sorgen, anstatt zu warten, bis das Parlament, der Oberste Rechnungshof oder das Finanzministerium entsprechende externe und a priori auf Personal- und Aufgabenabbau orientierte Untersuchungen z.B. durch Beratungsfirmen wie Kienbaum in Auftrag gibt. Er hatte so recht – aber die damalige erfolgsverwöhnte bayerische Flurbereinigungsspitze war sich zu sicher und nahm seine Warnungen leider nicht ernst. Das Unheil nahm wenig später seinen Verlauf …

Nach einigen internen Querelen und dem Abschied von der Flurbereinigung fand Peter im landwirtschaftlichen Bildungsbereich in Tulln eine zweite berufliche Erfüllung. Auch hier beeindruckte er wieder durch gekonnte Rhetorik und umfassendes Wissen; man könnte auch sagen, er war halt grundständig gebildet und dank ständiger Reflektion enorm gescheit.

Der Dorferneuerung und Landentwicklung, die er ex officio nie selbst durchführen konnte, blieb er aber treu. Nach seiner Pensionierung erlebte er nämlich eine dritte Erfüllung: Er war noch viele Jahre als beliebter Consulent bei der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung hochanerkannt tätig, vor allem auch wieder in der Jury, was ihm viele Reisen in europäische Länder ermöglichte. Und überall erklärte er geduldig und glaubwürdig, dass die Beteiligung der Bürger entsprechend seinem Mitmach-Kanon unverzichtbare Voraussetzung sei für das Gelingen jeder nachhaltigen Gemeinde-, Dorf- oder Landentwicklung. Als Kulturtechniker lagen ihm bei den Jurysitzungen auch die Themen zukunftsfähige Landwirtschaft, Schutz des knappen Bodens und nachhaltige Landnutzung (heute ein globales Megathema) am Herzen. Auch hier war er ein Pionier, der deren Bedeutung früher als andere erkannte. Es war deshalb nur konsequent, dass Peter Schawerda 2008 vom Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL) mit der Goldenen Ehrennadel ausgezeichnet wurde.

Ein Mann der ersten Akademiestunden
Entsprechend seinem wachen und offenen Gespür erkannte der ab 1982 regelmäßige Bayernbesucher Peter Schawerda auch sofort die Chancen der im Mai 1988 gegründeten Bayerischen Akademie Ländlicher Raum. An der Teilnahme zur Gründungsversammlung noch verhindert, war er zwei Monate später bei der ersten Mitgliederversammlung am 22.Juli 1988 in München dabei, wo er zum Ordentlichen Mitglied berufen wurde. Es ist ein schöner, fast schon bezeichnender Zufall, dass an diesem Tag mit ihm der Mitschöpfer der damals längst arrivierten neuen dreistufigen Landschaftsplanung in der bayerischen Flurbereinigung Prof. Fritz Auweck ebenso wie Bürgermeister Peter Nindl, Salzburgs Modelldorferneuerer und Gastgeber der unvergessenen Neukirchner Tagungen, darunter der ersten zum Thema „Was braucht das Dorf der Zukunft? Philosophie oder Geld – oder beides“ im März 1988 (mit Alois Glück als Hauptredner), ebenfalls Mitglieder der Akademie wurden.

Peter Schawerda war es zu verdanken, dass er seinen damals eher noch zweifelnden bayerischen Kollegen die Botschaft vermittelte, dass endogene Entwicklung auch mit wenig(er) Geld, aber mit umso mehr Ideen, Initiativen, ja „Spinnereien“ selbst in peripheren Regionen möglich sei. Dazu brachte er zum Sommerkolloquium der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum „Ein neuer Weg: Mehr Wertschöpfung durch Regionalmarketing und Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe“ am 3. Juli 1998 den damals schon legendären und das Tagungsthema glaubwürdig verkörpernden Waldviertelbeauftragten und Direktor der Landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschule Edelhof, Adi Kastner, aus Niederösterreich nach Polling. Unvergessen die Reaktion des damaligen Bayerischen Landwirtschaftsministers Reinhold Bocklet. Aus anfänglicher Skepsis gegenüber diesem so eigenwilligen und selbstbewussten Forstwirt (einige seiner Lieblingssprüche: „Kopf in den Wolken, die Füße am Boden“ oder „Jede Region kann eine Gunstlage sein, man muss nur wissen, wofür“) wurde zunehmend Aufgeschlossenheit und Zustimmung. Selbstredend, dass Peter Schawerda und Adi Kastner ziemlich enge Freunde waren.

Peter Schawerda war auch fortan immer wieder aktiv in der Bayerischen Akademie tätig – ein Pendant in Österreich gelang ihm nicht. Hieran waren die Flurbereinigungsverwaltungen (Agrarbehörden) nicht recht interessiert und die Raumplaner zu stark. Zudem gab es ja bereits, wenn auch mit anderen Strukturen, die Arge Ländlicher Raum von Sixtus Lanner und die Europäische ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung unter niederösterreichischer Führung (LH Erwin Pröll). Immerhin war Peter Schawerda zusammen mit Freund Holger Magel maßgeblich am Zustandekommen dieses neuen europäischen Zusammenschlusses beteiligt und a priori tätig.

Gründungspräsident der Europäischen Arge Landentwicklung Erwin Pröll: „Ich habe Peter viel zu verdanken.“
Dieser Nachruf wäre unvollkommen, wollte man nicht auch auf das vorbildliche Familienleben und die stete Sorge des Vaters um das Fortkommen seiner Kinder eingehen. Mit seiner starken Frau Rosa, ebenfalls eine ingenieurdiplomierte Alumna (Landschaftspflegerin) der BOKU, war er unermüdlich in vielen lokalen umweltorientierten, caritativen (Flüchtlingshilfe) und entwicklungspolitischen Projekten tätig.

Die Bayerische Akademie hat einen ihrer Besten verloren: Wir verneigen uns vor seinem Lebenswerk und danken ihm für all seine vielen Anregungen. Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, einst sein höchster Landeschef, Gründungs- und langjähriger Präsident der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung, zum Ableben von Schawerda: „Ich habe Peter in dankbarer Erinnerung. Ich verdanke ihm sehr viel. Ein ganz Großer ist von uns gegangen.“

Auch der Autor dieses Nachrufs hat Peter Schawerda unglaublich viel zu verdanken. Holger und Anselma Magel wie auch viele Akademiemitglieder und Kollegen der Ländlichen Entwicklung in ganz Europa haben einen ganz besonderen Menschen und Freund verloren.

Er möge in Frieden ruhen.