Dorferneuerungsstudienfahrt 2007

8. bis 11. Oktober 2007

Best Practice in Salzburg und Bayern

Die Europäische ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung veranstaltete zusammen mit der „Gemeindeentwicklung Salzburg“ eine Fachexkursion nach Salzburg und Bayern. DorferneuerungsexpertInnen aus Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, der Steiermark und dem Burgenland, der Slowakei und der Wojwodschaften Niederschlesien, Oppeln und Schlesien nahmen daran teil und konnten Zukunft weisende Problemlösungen in den vorgestellten Modellprojekten kennen lernen. Zur Vertiefung der Impulse aus den Besichtigungen wurde ein Workshop abgehalten.

Dort könnte das Motto lauten: Brücken zwischen den von „Verinselung“ bedrohten Generationen im Dorf schlagen. Durch die gesellschaftlichen Veränderungen in unserer Zeit spielt sich das soziale Leben immer mehr in gleichartigen Gruppen ab. Jung und Alt leben vielfach aneinander vorbei. Elixhausen will da gegensteuern und zieht soziale Netzwerke ein. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, ‘junge Alte“ und hoch betagte Menschen sollen voneinander lernen und damit voneinander profitieren.

“Junge Alte“ liefern das Mittagessen in Kindergarten und Schule, die Bücherei veranstaltet Märchenstunden für Kinder und Seniorlnnen, der Hilfsdienst kümmert sich um die ältere Generation, der Ferienpass bietet den Kids ein buntes Programm und vieles mehr wie ein begehbarer Adventkalender, die Schaffung einer „barrierefreien Gemeinde“, eine Ideen- und Kummernummer, Erhalt und Pflege der Trachten, auch jener der nach 1945 eingewanderten Siebenbürger Sachsen, ein Sportfest mit Bewerben quer durch die Generationen, ein Skulpturenpark, ein „Erzählcafe“. In der Gesamtschau eine gezielte Förderung von generationenübergreifenden Begegnungs- Erfahrungs- und Erlebnisräumen in der Gemeinde

Für den Erfolg war offenbar ein Bonussystem für freiwilliges soziales Engagement entscheidend. Diese Initiative bewertet und dokumentiert freiwillige ehrenamtliche Arbeit vor allem von Jugendlichen, Frauen und Arbeitslosen im erwerbsfähigen Alter und wird von zahlreichen Betrieben der Gemeinde unterstützt. Der so genannte „Sozialausweis“ mit dem dazugehörigen „Sozialkonto“, dient neben einigen Vergünstigungen bei Angeboten im Sozialbereich vor allem auch dazu, die ehrenamtlichen Helfer mit ihren Leistungen durch eine neue Kultur von öffentlichkeitswirksamer Anerkennung aufzuwerten und für alle sichtbar werden zu lassen

1800 Einwohner zählt die am Obertrumer See gelegene Gemeinde im Nahbereich der Stadt Salzburg. See und reich strukturierte bäuerliche Kulturlandschaft sind die Basis, um die sich verschiedenste Initiativen entwickelt haben.

„Tür an Tür mit der Natur“ ist die eine Schiene – die Seehamer Landwirte gehen sorgsam mit ihrem natürlichen Lebensraum um. Der hohe Anteil der kontrolliert biologisch arbeitenden Betriebe ist bemerkenswert. Ebenso die Qualität der „Urlaub am Bauernhof“ Anbieter. Mit dem Öko-Kultur-Projekt Teufelsgraben eröffnet sich eine mystisch-mythologische Erlebniswelt. Der Natur-Erlebnis-Weg, der Wildkarwasserfall mit der Kugelmühle und die Röhrmoosmühle sind neben vielen anderen Erlebnisangeboten Zeichen des harmonischen Zusammenspiels von Natur, Kultur, und Wirtschaftlichkeit.

Die kulturelle Verbindung von Tradition und Moderne hat als Kristallisationspunkt die bereits zur Institution gewordene Seebühne Seeham. Ein buntes Programm aus historischer und zeitgenössischer Kunst, mit viel Musik, Humor und kreativem Bühnenbau ist das Erfolgsrezept dieser Bühne, die ins Wasser hineingebaut ist. Ein Dorf spielt hier Theater.

Ein Projekt der besonderen Art ist die fachgerechte Sanierung des Schmiedbauernhofs, eines kulturhistorisch wertvollen Objektes. Durch die Neugestaltung wird sich eine zukünftige Nutzung als Gemeinde-, Kultur-, Veranstaltungs- und Handwerks- und Biobauernzentrum ergeben. Gleichzeitig ist durch den umgebenden großzügigen Freiraum auch optisch eine räumlich klare dörfliche Mitte entstanden.

Die Impulsregion Salzburger Seenland

Zu den großen Herausforderungen aller drei „Impulsregion 21-Gemeinden“ gehört die Nähe zur Stadt  Salzburg, ein wirtschaftlicher Ballungsraum mit enormer Sogwirkung. Es braucht gute Ideen, um sich in diesem Wettbewerb zu behaupten und eine starke „Identität nach innen“, zu entwickeln. So haben sich innerhalb des regionalen Projektes „Salzburger Seenland“ die 3 Gemeinden Mattsee, Neumarkt und Schleedorf 2005 zur Impulsregion 21 zusammengeschlossen. Unter breiter Beteiligung der BürgerInnen wurden „Gemeindeleitbilder zur Nachhaltigkeit“ entwickelt und vorbildhafte Projekte umgesetzt. Das gemeinsame Exkursionsservice bringt viele Interessierte in die Kleinregion. In dem damit verbundenen Austausch mit anderen „Zukunftsdenkern“ können alle voneinander lernen: die BesucherInnen und die Gastgeber. Die enge Zusammenarbeit der 3 Gemeinden hindert diese aber nicht an der Teilnahme am größeren Regionalprojekt. So werden Kräfte sowohl nach innen aber auch nach außen gebündelt und vernetzt.

Die Stadtgemeinde Neumarkt liegt etwa 20 km von der Stadt Salzburg entfernt. Der Ort verfügt über drei große Gewerbegebiete, ein Gesundheitszentrum, einige Interessenvertretungen und Behörden, mehrere Schulen, hat eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur und eine verkehrsgünstige Lage. Laut Regionalprogramm nimmt sie eine Reihe gemeindeübergreifender Aufgaben wahr. Neumarkt ist auch zum Wohnen attraktiv. Die „Wohlfühlqualität“ soll auch in Zukunft ein starkes Kennzeichen von Neumarkt sein.

Umgesetzt wurden vorbildhafte und zukunftweisende Initiativen: Aktivitäten im Energiebereich, die moderne und bürgernahe Gemeindeverwaltung, Modellprojekte im Sozialbereich, Mut zu zeitgemäßer Architektur, Einsatz für einen intakten Naturraum und für eine naturnahe Landwirtschaft, Initiativen zur Vitalität des Ortskerns sowie kreative und vielseitige Projekte im Kulturbereich mit einem engagiertem Impulszentrum, dem Museum Fronfeste und seinem Kunstvermittlungsprogramm.

Die Marktgemeinde Mattsee soll gemäß dem Regionalprogramm als Kernzone für Tourismus und Naherholung sowie als naturlandschaftliche Ruhezone fungieren. Mit den Schwerpunkten „Natur und Kultur“ hat sie bereits jetzt wirtschaftlich und sozio-kulturell viel bewegt.

Die wichtigsten Leitprojekte sind das Schloss Mattsee als regionales Kulturzentrum, die Leonardo Kunstakademie, die Genussakademie, das Schlosscafé, das renovierte Strandbad mit den Außenanlagen, die Weyerbucht als naturaktive Freizeitfläche für Jung und Alt und schließlich der Naturpark Buchberg. Darüber hinaus hat Mattsee Vorbildwirkung als „lebens- und familienfreundliche Gemeinde“ mit zahlreichen soziokulturellen Initiativen.

Die Dorfgemeinde Schleedorf ist heute vielfach ausgezeichnet, obwohl sie noch vor etwa 20 Jahren zu den zwei strukturschwächsten Gemeinden im Land Salzburg zählte. Seit 1997 bezeichnet sie sich als „Schaudorf Schleedorf“ und ist ein beliebtes Exkursionsziel für etwa 40.000 Tagesgäste aus dem In- und Ausland geworden. Neben den Ausflugsgruppen sind es immer mehr MultiplikatorInnen der Nachhaltigkeit, die sich hier Anregungen holen. Die 1. Österreichische Bio-Schaukäserei, das Aktivmuseum AgriCultur, die Schaubäckerei und die Schauschmiede, das Haus der Dorfgemeinschaft, die Zusammenarbeit mit örtlichen Gewerbe- und Gastronomiebetrieben, die Aktivitäten im Energiebereich und die sozialen „Beispielprojekte“ sind nur einige der Besonderheiten, die von den BewohnerInnen und den BesucherInnen geschätzt werden.

Weyarn – Nachhaltige Zukunftsarbeit mit den BürgerInnen

Basis des Weyarner Weges ist die Bürgerbeteiligung! Eigene Identität kann nur durch Viele bewusst gemacht werden und geht nicht von oben nach unten, sondern nur von unten nach oben.

Weyarn ist ein Dorf im Einflussbereich der Landeshauptstadt München mit etwas über 3000 Einwohnerlnnen auf 47 Quadratkilometern in 20 Dörfern und einer ländlichen Struktur mit reicher Geschichte. Durchzogen von großen Verkehrsadern erlitt die Kommune in den 70-iger und 80-iger Jahren den klassischen Infrastrukturverlust vieler ländlicher Gemeinden. Resignation und Gefahr der Verstädterung waren die Folge.
Mit dem Weg der bayerischen Dorferneuerung und deren klassischen Methoden der Partizipation, der professionellen Begleitplanung und einem effizienten Bodenmanagement begann ein spannender Prozess. Mit gelebter Bürger- und Sozialkultur gelang es, die ländliche Struktur nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken. Bürgerwerkstätten wurden flächendeckend einberufen. Arbeitskreise entstanden. Sie haben sich Zeit genommen zur Bestandsaufnahme, haben Stärken und Schwächen analysiert, Potenziale gesehen und vernetzt. Leitbilddiskussionen folgten – in den Arbeitskreisen und vernetzt darüber hinaus. Aus den Leitbildern entstanden umfangreiche Maßnahmenkataloge. Für die Maßnahmen wurden Prioritäten erarbeitet und schließlich mündete das in einem Gemeindeentwicklungsprogramm.

Bürgerbeteiligung – das ist das Ergebnis des Weyarner Weges – ist effizient. Dafür gibt es Beispiele, wie ein dezentrales Gewerbekonzept mit einem Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten, eine Schule als Gemeinschaftsprojekt von Kindern, Eltern und Lehrern, die Verabschiedung von Landschaftsplänen in Übereinstimmung mit allen Beteiligten, oder nach breit geführter Diskussion die Resäkularisierung eines Klosters  und vieles andere mehr.

Daraus hat sich eine neue politische Kultur entwickelt. Die Kommune verabschiedet sich aus der Rolle des Vollversorgers für alle Probleme des täglichen Lebens und wird professionelle „Entwicklungsagentur“, die den Menschen jenen Raum geben, in dem sie den Mut zum Träumen haben und die Kraft zum Handeln nutzbar machen können und in dem Vielfalt in Freiheit zugelassen wird.
Abschließender Workshop zur Exkursion

Workshop

Als Abschluss wurde in Weyarn ein Workshop mit den ExkursionsteilnehmerInnenn abgehalten. Ziel war, die gewonnenen Eindrücke zu formulieren und auf deren brauchbare Anwendung für die jeweiligen Aufgabenstellungen der TeilnehmerInnen zu überprüfen. Dazu gab es eine Gruppenarbeit in drei sprachlichen Gruppen: deutschsprachig, tschechisch & slowakisch und polnisch. Die TeilnehmerInnen sollten die einzelnen Exkursionspunkte durchdenken, diskutieren und Antworten erarbeiten. Hier das Ergebnis in Stichworten

„Highlights“ der Exkursion:

  • Bürgerbeteiligung mit detaillierter Methodik (Weyarn); Einbindung von Generationen, Minderheiten (Elixhausen) und Migranten (Neumarkt); Private akzeptieren gemeinschaftliche dörfliche Interessen (Weyarn, Elixhausen, Seeham); Finanzierung auch durch private Investoren (Schleedorf); Projekte sind weniger Fragen des Geldes, sondern oft einfacher Ideen (Schleedorf, Weyarn, Neumarkt); weniger profitorientiert sondern „wohlfühlorientiert“ (Mattsee)
  • authentische/bodenständige Landwirtschaft (Schleedorf); Museum als Plattform mit starken Innen- und Außenaktivitäten  samt ehrenamtlichen Leistungen(Neumarkt)
  • „Modell Weyarn“ – umfassende Lösung für alle Lebensbereiche; Dorfladen (Weyarn); Museum Fronfeste (Neumarkt); professionelle Planungen (Mattsee); Vernetzung zur „Impulsregion“

Deutlich gewordene Gelingensfaktoren:

  • Wandel im Denken – Umdenken; intensive Kommunikation auf allen Ebenen; permanenter Informationsaustausch; Pflege von Feed Backs
  • Hohes Bewusstsein der Bevölkerung, die das eigene Umfeld auch sehr bewusst sieht; (Elixhausen, Seeham, Weyarn) hohes Bewusstsein auch für soziale Fragen (Elixhausen, Neumarkt, Weyarn)
  • Erfolgsfaktor Bürgerbeteiligung mit professioneller Begleitung (Neumarkt, Weyarn); risikobereite Entscheidungsträger (Elixhausen, Mattsee, Weyarn, Seeham); klare Ziele durch Leitbilder (Weyarn)

Konkrete Anregungen:

  • Wichtigkeit der Festlegung detaillierter Abläufe; Kinderparlamente einbeziehen; Generationenübergreifende Einbindungen; Beachtung der Nachhaltigkeit; ständiger Prozess als Träger der Selbstbildung; Projekte möglichst multifunktional anlegen
  • Neben vielen Impulsen vor allem: Multifunktionalität muss durchgängiges Prinzip werden
  • Mehr Beachtung der Daseinsvorsorge/Altersbetreuung; Wichtigkeit einer professionellen Begleitung; Sozialscheck Elixhausen als starke Anregung