Stadt braucht Land braucht Stadt

24. und 25. November 2011

Europäische Konferenz thematisiert die dramatischen Auswirkungen einer zunehmenden globalen Verstädterung

Stadt braucht Land braucht Stadt – so lautete der Titel einer Europäischen Konferenz, zu der die Europäische ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung, das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die Arge der deutschen Akademien Ländlicher Raum Ende November 2011 nach Freising, Bayern, eingeladen hatten. 150 Gäste aus acht europäischen Ländern, darunter der Vorsitzende der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung, Landeshauptmann Erwin Pröll aus Niederösterreich, der bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, der Oppelner Woiwode Ryszard Wilczynski und Univ.-Prof. Mark Michaeli von der TU München, waren der Einladung gefolgt und berieten zwei Tage lang über geeignete Wege, um dem Auseinanderdriften und wachsenden Gegeneinander von Stadt und Land wirkungsvoll zu begegnen.

Erstmals in der Geschichte lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten, Tendenz steigend. In knapp 20 Jahren sollen es bereits 5 Milliarden und damit 60 % sein, 80 % davon in den Megacities der 3. Welt. Auch in Europa, wo immerhin noch die Hälfte der Arbeitsplätze und 50 % der Bevölkerung in ländlichen Region angesiedelt sind, schreitet die Verstädterung rapide voran und drohen Dörfer im Sog der urbanen Zentren von den Landkarten zu verschwinden.

„Damit wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt, bei der es mittelfristig nur Verlierer geben kann, denn Stadt und Land sind eine Schicksalsgemeinschaft, von einander abhängig und für einander unverzichtbar“, waren sich die KonferenzteilnehmerInnen einig. Daher seien eine Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und eine Verbesserung der infrastrukturellen Ausstattung ruraler Siedlungsräume ein Gebot der Stunde, damit diese nicht in Hintertreffen gerieten und ihre wichtigen Funktionen im gesamtgesellschaftlichen Gefüge, wie Energie- und Nahrungsmittelproduktion oder Bereitstellung von  Naherholungsraum und Ausgleichsraum, auch weiterhin erfüllen könnten, lautete eine der wesentlichen Botschaften von Staatsminister Helmut Brunner.

Es werde sich garantiert nicht als zielführend erweisen, Stadt und Land gegeneinander auszuspielen oder einander anzugleichen. Vielmehr müsste eine Gleichwertigkeit angestrebt werden, müssten die besonderen Prägungen und Alleinstellungsmerkmale der verschiedenen Lebensräume zum Programm gemacht, die wechselseitigen Abhängigkeiten und Verflechtungen als Chance begriffen und Stadt-Land-Kooperationen auf Augenhöhe angestoßen werden. Erste Erfolge, aber auch viele Hindernisse, Missverständnisse und Schwierigkeiten wusste man dazu aus der „Europäischen Metropolregion München“ zu vermelden, die in einer prominent besetzten und kontroversiell geführten Podiumsdiskussion auf den Prüfstand gestellt wurde.

„Die gegenwärtige Entwicklung einer massiven Abwanderung aus peripheren ländlichen Regionen ebenso wie aus städtischen Zentren, die mit einem hemmungslosen Landverbrauch, einer massiven Zunahme des Individualverkehrs, einem dramatischen Verlust von Erholungsraum und eklatanten Identifikationsproblemen einhergeht, ist alles andere als zukunftsfähig. Die Politik, allem voran Raumordnungs-, Regional- und Verkehrspolitik, sei daher gefordert, rasch und entschieden zu handeln“, betonte Landeshauptmann Erwin Pröll in seinem Vortrag, der eine sehr lebhafte Diskussion auslöste.

In Stichworten noch einige weitere Erkenntnisse und Statements der Konferenz:

  • Systeme müssen neu und intelligenter gedacht werden;
  • Statt von Stadt und Land, sollte von Regionen die Rede sein, am besten von Regionen der kurzen Wege;
  • Es reicht nicht, sich ausschließlich als Wissensgesellschaft zu definieren; wir brauchen auch Orte der Produktion, um der Vielfalt an gesellschaftlichen Bedürfnissen, persönlichen Möglichkeiten und wirtschaftlichen Erfordernissen gerecht zu werden;
  • Die Landbevölkerung müsste selbstbewusster, sich im wahrsten Sinn des Wortes  ihrer Bedeutung bewusst, auftreten und argumentieren;
  • Eine Politik nur „von oben“, ausschließlich von gewählten Repräsentanten gestaltet, ist zum Scheitern verurteilt; es bedarf zunehmend der Einbindung der Zivilgesellschaft;
  • Vernetzung – das wird in der kommenden Programmplanungsperiode auch die vorrangige Devise in der Europäischen Union sein; die Verschränkung der drei großen Fonds (Agrar, Regio, Soziales) wird Realität;
  • Wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir Lernende bleiben und uns Visionen erlauben!

Eine weitere Nachlese finden Sie auch auf der Homepage der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum.