Pröll: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz!“

28. Mai 2015

Internationales Symposium in Krems zum Thema „Im Zentrum: Lebensqualität. Identität. Wirtschaftskraft“ präsentiert Beispiele, Thesen und Strategien zu einer erfolgreichen Entwicklung von Dorf- und Stadtkernen.

Die Dorf- und Stadtkerne als Orte, an denen sich Lebensqualität, Identität und Wirtschaftskraft widerspiegeln, standen Ende Mai im wahrsten Sinne des Wortes im Zentrum eines Symposiums, zu dem die Abteilung Raumordnung und Regionalpolitik im Amt der NÖ Landesregierung gemeinsam mit der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung ins Kloster Und in Krems geladen hatte. Und das aus gutem Grund, wie der Vorsitzende der ARGE, Niederösterreichs Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, in einem Eröffnungstalk erläuterte: „Seit Jahrzehnten geht der Trend in Richtung Verlagerung weg von den Zentren hin zu den Ortsrändern – mit all den bekannten, negativen Konsequenzen: hoher Bodenverbrauch, negative Auswirkungen auf das Ortsbild, Leerstände, längere Wege, wachsende Infrastrukturkosten, um nur einige zu nennen.“   Zwar wurde das Thema Zentrumsentwicklung in Niederösterreich schon vor vielen Jahren bewusst in Angriff genommen, worauf zahlreiche Initiativen in der Vergangenheit hinweisen, die insbesondere die Komponenten Nahversorgung, Infrastruktur und Ortsbild betrafen. In Zukunft will man besonderes Augenmerk auf die Themen Baulückenschließung und Leerstandsbekämpfung sowie auf eine verstärkte Verknüpfung aller Bereiche der Zentrumsentwicklung legen. Konkret bedeutet das die Vernetzung von Wohnen und Arbeiten mit einem Angebotsmix aus Handel, Dienstleistung, Gastronomie und Freizeitnutzung. Besonders seien dabei, so Pröll, die Gemeinden gefragt, da sie einerseits die Bedürfnisse der Bevölkerung kennen und andererseits über die Eigentumsverhältnisse Bescheid wisse. Gerade bei der Beseitigung von Leerständen im Ortskern müsse bei allem Bekenntnis zum Schutz des persönlichen Eigentums das Gemeinwohl über individuellen Interessen stehen.

NÖ Pilotprozess und Blick über den blau-gelben Tellerrand

Niederösterreich wird sich in jedem Fall in den kommenden Jahren intensiv mit der Thematik auseinandersetzen. In vier Pilotgemeinden unterschiedlicher Größe und Prägung, nämlich Dürnstein, Pernitz, Zistersdorf und Markersdorf-Haindorf, soll im Rahmen der NÖ Stadt- und Dorferneuerung bzw. der NÖ.Regional.GmbH. eine Reihe von Maßnahmen gesetzt werden, von denen man sich in einem zweiten Schritt auch Erkenntnisse erwarten darf, die für die Innenentwicklung von Städten und Dörfern generell von hohem Wert sein werden.   Dass es sich bei der schleichenden Gefahr der Verödung der Stadt- und Dorfkerne bei gleichzeitigem Entstehen von „Satelliten“ an den Ortsrändern freilich um kein niederösterreichisches Phänomen handelt, sondern um eines, das auch die Verantwortlichen jenseits der Landes- und Staatsgrenzen vor große Herausforderungen stellt, betonte Peter Görgl vom Institut für Geographie und Regionalforschung der Uni Wien, der erläuterte, mit welchen Maßnahmen der Raumplanung und Raumordnung es zu agieren und zu reagieren gelte. Auch die Impulsvorträge und Beispiele aus anderen Bundesländern und aus Deutschland führten die europäische, ja sogar globale Dimension des Themas deutlich vor Augen.   In Sachsen etwa, so berichtete Daniel Gellner vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, gilt in der aktuellen LEADER-Periode der Bekämpfung von Leerständen größte Aufmerksamkeit. Dabei geht es sowohl um den Erhalt von wertvoller Bausubstanz durch Umnutzungsprogramme, beispielsweise unter dem Motto „Junge Familien in alten Gemäuern“, wie auch um Rückbauten zur Schaffung neuen Platzes im Zentrum. Good Practice im Umgang mit einer zukunftsweisenden Innenentwicklung präsentierten Oskar Januschke als Leiter des Stadtmarketing Lienz, Nikolaus Unterweger als Bürgermeister von Kals am Großglockner, Bernhard Himmen als Beigeordneter der Ortsgemeinde Ediger-Eller in der Calmont-Region (Rheinland-Pfalz) und Max Köberl als Bürgermeister der bayerischen Gemeinde Ringelai.   Zuletzt tauchten die 150 interessierten TeilnehmerInnen aus Deutschland, Polen, Tschechien und mehreren österreichischen Bundesländern im Rahmen von Workshops und Diskussionsrunden in fünf Themen ein, die unmittelbar und essentiell mit Zentrumsentwicklung zu tun haben: „Demographischer Wandel“ mit einem Impuls von Univ.-Prof. Heinz Fassmann, „Wohnen“ mit einem Impuls zum Modell POMALI von Architektin Valerie Seitz, „Arbeiten“ mit einem Impuls zu OTELO von Martin Hollinetz, „Leerstandsbekämpfung“ am Beispiel von Waidhofen/Ybbs und Ardagger mit Hans Stixenberger und Birgit Weichinger (NÖ.Regional.GmbH) sowie „Strategie und Kommunikation“ am Beispiel „Cittá Slow“ mit einem Impuls von Dr. Gaby Pils.   Bereits am Vortag der Konferenz führte eine Exkursion unter dem Titel „Der ZentrumsEntwicklung auf der Spur nach Strengberg, Stephanshart und Melk, wo die Nutzung von leer stehenden Gebäuden im Ortszentrum vorgestellt und deutlich wurde, welche Rolle aktive GemeindevertreterInnen und Grundstücks- bzw. HausbesitzerInnen spielen.  

Präsentationen der Referenten