Planungsansätze zur Dorferneuerung im Westen

22. bis 25. Mai 2007

6. Europäischer Dorferneuerungskongress „Geeintes Europa – Reich an Vielfalt und Herausforderungen“ in Kamíen Slaski, Polen

Statement von Univ. Prof. Alfons Dworsky

Planung ist vorausschauende Gestaltung von Lebensräumen. So verstanden reicht Dorfplanung bis in die historische Tiefe der Frühgeschichte zurück, und umfasst die Breite aller Kulturlandschaften.

Dorferneuerung ist eine Parallelkonstruktion zur Stadterneuerung und damit eine kommunalpolitische Erscheinung der 70er und 80er Jahre in Europa. Die sehr unterschiedliche Ausformung von Zielen, Methoden und Instrumenten legt es nahe, die nationalen Voraussetzungen genauer zu betrachten:

Schon im deutschsprachigen Raum: Schweiz, Österreich und Deutschland sind entscheidende Unterschiede zu erklären:

Da in der Schweiz keine Kriegs- und Nachkriegsverwüstungen stattfanden, da Rustikalität, Selbst- und Mitbestimmung geradezu Kernstücke schweizerischer Identität waren und sind, gab es dort keinerlei Veranlassung „Dorferneuerung“ einzuführen.

In Österreich entwickelte sich die Dorferneuerung im Zusammenfluss zweier Strömungen: Von „Unten“ als konfliktorientierte Gemeinwesenarbeit etwa parallel zu den emanzipatorischen Forderungen der erhaltungsorientierten, sanften, von Partizipation getragenen Stadterneuerungen, und von „Oben“ als umfassendes Förderungsinstrument zur Revitalisierung bedrohter Orte und Regionen.
Dorferneuerungspläne der frühen Phase der 80er Jahre waren schwerpunktmässig erhaltungsorientierte städtebauliche und architektonische Ziele bzw. Entwürfe. Später traten ökologische und regionale Leitbilder hinzu, die zur Selbstbindung der Beteiligten und als Grundlage von individuellen, lokalen und regionalen Förderungsansuchen dienlich und nötig sind.
Die professionelle Moderation von umfassender Bürgerbeteiligung ist üblich, ebenso die Ausfertigung der Ergebnisse. In manchen Fällen ist die Anpassung der kommunalen Bauleitplanung  (Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung) nötig und vorgeschrieben. In dieser Hinsicht kann der Dorferneuerungsplan – in Kernbereichen – auch Zielvorgabe für raumplanerische Verordnungen sein.

In Deutschland wurde die Dorferneuerung auf das vorhandene Instrument der Flurneuordnung bzw. Flurbereinigung aufgesattelt, zunächst als innerörtliches agrarstrukturelles Begleitmassnahmenpaket, dann als umfassendere, partizipatorisch erarbeitete Konzeption von Bürgerinnen und Bürgern. Der Dorferneuerungsplan deckt zwar mit sektoralen bzw. thematischen Arbeitsgruppen alle Belange der Kommunalentwicklung innerhalb und ausserhalb der Ortslage ab, bleibt aber im Kern ein Grundlagenwerk der agrarstrukturellen Förderung. Da Erstellung und Verordnung von Bauleitplänen nicht dem Agrarressort obliegt, ist im Dorferneuerungsverfahren eine obligate Bindung an die Bauleitplanung nicht vorgesehen.

Obwohl von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehend, vereinheitlicht sich die Praxis aktueller Dorferneuerungsplanungen im „Westen“ zusehends. Parallel zur Ausformung von EU-Förderungsinstrumenten, die für die Entwicklung ländlicher Räume geschaffen wurden verändern sich auch die Horizonte der Dorferneuerungsprojekte: In vermehrtem Mass moderieren professionelle Regionalentwicklungsagenturen, die mit Fachleuten aus den Bereichen Ökologie, Regionalplanung, Kommunalplanung, Architektur, Sozialmanagement u.s.w. ausgestattet sind Leitbildprozesse, die primär auf EU Förderbarkeit zugeschnitten sind.

Ob Horizontausweitung, Professionalisierung und Effizienzsteigerung den wohl unvermeidlich damit verbundenen Verlust von Bürgernähe und Spontaneität rechtfertigen, wird die Zukunft weisen.